Wer trifft die bessere Personalentscheidung – der Mensch oder die KI? © Pixabay

27. April 2021: Neue Technologien sind schnell, agil und individuell. Das wird auch für HR zunehmend ein Schwerpunkt. Deshalb haben sich die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg im Rahmen ihres etablierten Personalforums an ein neues Format gewagt: Eine Stunde Input und Diskussion zu digitalen Technologien in der Personalarbeit der Zukunft. Unterstützt wird die Veranstaltungsreihe mit Technologiewissen und Startup-Kontakten von der Industry Innovators Group. Entstanden ist ein spannendes Gemeinsschaftsformat, das den Blick in die Zukunft wagen und die Chancen und Herausforderungen neuer Digitaltechnologien in der Personalarbeit kontrovers diskutieren will. Zum Auftakt der neuen Reihe ging es unter dem Titel “Recruiting – Sind Algorithmen der HR-Manager der Zukunft?” um den Einsatz von KI-Technologien für die Talenteauswahl.

Wenn Maschinen menschliche Emotionen erkennen und analysieren, Persönlichkeitsmerkmale anhand von Bildern und Sprache zuverlässig wiedergeben können und am Ende ähnlich einem Dating-Portal das Perfect-Match finden, ließen sich dann nicht Recruiting-Prozesse deutlich verschlanken und aufs Wesentliche reduzieren? Wie also wird der Bewerbungsprozess der Zukunft aussehen? Das waren die Fragen, die Personaler*innen und Startup-Vertreter*innen gemeinsam diskutierten.

Kontrovers waren schon die kurzen Präsentationen. Max Willert, Mit-Gründer und Geschäftsführer von HYRE, einer Talente-App, die Firmen und offene Stellen mit universitären Talenten verbindet, machte den Auftakt. Kompetenzen, Motivation, Denkweise und Potenzial seien die entscheidenden Kriterien, nach denen ‘Junioren’ erfolgreich ausgewählt werden. Echte Erfolgsgarantien ergeben sich jedoch erst durch technologische Unterstützung und datengesteuerte Prozesse, die eine objektive Basis für die Bewertung der Passgenauigkeit von Stellen und Bewerbern bieten können. Vor allem aber ginge es darum, Talente langfristig zu begleiten und anhand individueller Kompetenzen und Indikatoren bessere Entscheidungsgrundlagen schaffen zu können. Davon ist HYRE überzeugt.

Mind-R – ein Gründungsprojekt für KI-basierte Persönlichkeitsanalyse wurde von Mit-Gründer Dr. Tony Lee vorgestellt: Er sagt, dass KI-gesteuerte Persönlichkeitsanalysen einen Mehrwert für das Personalmanagement bringen können. Jedoch sei es dafür zwingend erforderlich, Algorithmen so zu gestalten, dass sie transparent und vorurteilsfrei sind. Erst dann können sie besser sein als der Mensch, der selbst nicht frei von Wertvorstellungen und subjektiven Denkmustern ist. Hier ist indes noch viel Forschung notwendig, um diese Art von KI zu entwickeln. Zudem seien theoretische und empirische Beweise erforderlich, mit denen die Gültigkeit und Zuverlässigkeit dieser Technologien im Laufe der Zeit bestätigt werden kann. Daher sieht Dr. Lee das „Hybridmodell“ der kollaborativen Zusammenarbeit von Mensch und künstlicher Intelligenz als das Erfolgsmodell der kommenden Jahre. Ein Modell, bei dem die KI dem Menschen die faktenbasierte Vorauswahl abnimmt, aber der Mensch am Ende die Entscheidung trifft.

Florian Dyballa, Gründer und Geschäftsführer von AIVY, einer digitalen Lösung zur Analyse individueller Talente von Bewerber*innen, rundete die Startup-Präsentationen ab. Seine Thesen: Der Lebenslauf wird langfristig nicht überleben. Er gibt nur Auskunft über die Vergangenheit und ist rückwärtsgewandt. Da wir jedoch zunehmend in interdisziplinären Teams arbeiten werden, wird es auf individuelle Kompetenzen ankommen. Durch Einbezug unternehmensrelevanter Erfolgsdaten, wird es durch KI möglich sein, valide Prognosen zu Arbeitserfolg und -zufriedenheit zu geben. Damit werden bessere Einstellungsentscheidungen möglich als sie allein Erfahrungswerte und Bauchgefühl liefern könnten.

Ein Videostatement von Dr. Sara Lindemann, Mit-Gründerin von Viasto leitete schließlich die Diskussion ein. Ihre Thesen: Künstliche Intelligenz im Videorecruiting sei aktuell nicht empfehlenswert zum Auslesen von Persönlichkeitsmerkmalen, denn KI ist nicht diskriminierungsfrei. Zudem ist die Datengrundlage oft zu klein, um Bewerber*innen und Stelleneignung wirklich abgleichen zu können. Hinzu kommt eine geringe Akzeptanz bei den Kandidatinnen und Kandidaten.

Einigkeit bestand schließlich darin, dass HRler nicht verschwinden werden, aber ihre Rolle sich im Laufe der Zeit und mit den fortschreitenden technologischen Entwicklungen wandeln wird. Die Aufgaben der Personalleitungen werden künftig weniger administrativ sein. Sie werden vielmehr Coach sein und die Entwicklung der Mitarbeiter individuell unterstützen.

Mit Blick auf den aktuellen Entwicklungsstand und die künftigen Möglichkeiten von KI-Technologien wurde in dieser Diskussionsrunde weit in die Zukunft der Personalarbeit geschaut. In einem spannenden Austausch wurden ganz unterschiedliche Blickwinkel zusammengeführt und ein Bild vom HRler der Zukunft entworfen. Diese Diskussion im Rahmen dieser Reihe fortgesetzt werden.

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