Integraler Baustein der Verkehrswende?

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Kann Shared-Mobility zu einer nachhaltigen Mobilitätswende beitragen? Das war Thema der Frühstücksdebatte der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) gemeinsam mit der Berliner Agentur für Elektromobilität (eMO). Im Gespräch mit Dustin William, Public Policy Manager bei BOLT, gingen die Veranstalter dieser Frage nach und suchten Lösungswege für ein besseres Miteinander von Städten und Sharing-Anbietern.

Pariser Entscheidung verunsichert Sharing-Branche

Die Entscheidung, elektrische Kick-Scooter von Paris Straßen zu verbannen, hat viele Sharing-Anbieter stark verunsichert und auch in Berlin eine erneute Debatte über den Einsatz und Nutzen der geteilten Mikromobilität entfacht: Tragen Kick-Scooter zu einer nachhaltigen Mobilitätswende bei? Und wie sieht es mit anderen Sharing-Diensten aus? Wie sinnvoll sind Regulierungen und was ist erforderlich für ein besseres Miteinander zwischen Städten und Mobilitätsanbietern?

BOLT, 2013 in Estland gegründet, ist in über 45 Ländern vertreten und damit führende Mobilitätsplattform in Europa und Afrika. Anhand nationaler und internationaler Beispiele hat Williams unterschiedliche Herangehensweisen von Städten beleuchtet sowie Lösungswege für die bessere Integration von Sharing-Angeboten in die urbane Mobilität aufgezeigt.

Sharing-Anbieter unter Druck

Die noch sehr junge Branche – weitgehend fremdkapitalfinanziert – befindet sich in einem stetigen Wandel. Viele der Unternehmen sind auf Fremdkapital angewiesen, bangen um ihre Finanzierung und Existenz. Insolvenzen wie die des Fahrdienstanbieters Clevershuttle und des Lastenrad-Vermieters Avocargo, die Übernahme der WeShare-Flotte durch Miles und Entlassungen bei Tier sind daher – leider – wenig überraschend. Städte, die Shared Mobility als Teil der Verkehrswende sehen, können dies nicht wesentlich beeinflussen, aber es gibt Wege, wie sie den Sharing-Anbietern das Wachstum erleichtern und deren Angebote erfolgreich in die urbane Mobilität integrieren können.

Integration von Shared-Mobility – Leitlinien und Best Practices aus Europa

Verschiedene Stellschrauben können das Miteinander von Städten und Sharing-Anbietern positiv beeinflussen. Essenziell hierfür ist eine offene und transparente Kommunikation zwischen Städten und Sharing-Unternehmen, wie sie die Stadt Oslo praktiziert. In 2- bis 4-wöchigen Abständen finden runde Tische statt, bei denen gemeinsam mit den Anbietern Herausforderungen diskutiert und Lösungen erarbeitet werden.

Neue Mobilitätsformen erfordern infrastrukturelle Anpassungen: Lissabon hat daher ein hybrides Parksystem für e-Bikes und e-Scooter etabliert sowie 2.000 physische Parkflächen für Sharing-Fahrzeuge in nur vier Monaten errichtet. Der Wunsch nach mehr dezidierten Abstellflächen für Sharing-Fahrzeuge wurde auch unter den Debattenteilnehmer:innen als wesentliches Optimierungskriterium für den Berliner Sharing-Markt genannt.

Zudem ermöglicht ein Entgegenkommen bei Gebühren für Sharing-Angebote den Unternehmen wirtschaftlich zu agieren und ihren Kunden bezahlbare Preise anzubieten. Die Stadt Stuttgart geht hier mit gutem Beispiel voran, indem Sie die Parkgebühren für Carsharing-Fahrzeuge in den Jahren 2023 und 2024 aussetzt. Eine faire Bepreisung privater PKW, beispielsweise durch die Erhöhung der Kosten von Anwohnerparkausweisen kann ebenfalls die Attraktivität von Sharing-Angeboten steigern. Zum Vergleich: In Stockholm liegen die Kosten bei rund 100 Euro (monatlich), in Berlin hingegen bei ca. 10 Euro im Jahr. Außerdem empfiehlt Dustin Williams eine Modernisierung der Taxiregulierung in Deutschland, insbesondere eine Flexibilisierung der Taxitarife, wie beispielsweise in Amsterdam der Fall.

Die Rahmenbedingungen für geteilte Mobilität variieren deutschlandweit stark. Klare Spielregeln, beispielsweise durch Kooperationsvereinbarungen und strikte Regeln, wie in München, ermöglichen einen fairen Wettbewerb. Generell seien bundesweit klarere und einheitliche Regulierungen sinnvoll, um die Planung für Unternehmen zu erleichtern und Unsicherheiten entgegenzuwirken.

Wie steht Berlin in Sachen Sharing da?

Auch in Berlin sind Sharing-Angebote aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Durch eine gute Fahrradinfrastruktur und deren weiteren Ausbau schafft die Hauptstadt gute Bedingungen für die Nutzung von Rad und e-Scooter. Der Ausbau von Stellflächen für Scooter und Fahrräder seitens Land/Bezirk könnte allerdings schneller vonstattengehen, so Dustin Williams. Hervorzuheben sei aber die enge und konstruktive Zusammenarbeit der Sharing-Anbieter mit der Mobilitätsplattform Jelbi, welche bereits rund 100 Stellflächen in der Stadt aufgebaut hat. Auch faire Sondernutzungsgebühren für e-Scooter sowie das Ausbleiben regulativer Barrieren für Carsharing-Fahrzeuge ermöglichen den Anbietern weiter zu operieren. Einer Ausschreibung und dadurch Limitierung der Anbieter auf dem Markt steht er jedoch kritisch gegenüber. Er empfiehlt die Festlegung eines Kontingents pro Anbieter oder eine feste Anzahl an Sharing-Fahrzeugen für die Stadt, welche gleichmäßig auf die verschiedenen Anbieter aufgeteilt werden könnte. Um die Herausforderungen gemeinsam anzugehen, wünscht sich Williams einen regelmäßigeren Austausch zwischen Sharing-Anbietern und Verwaltung.

Zum Format

“Gute Ideen am Morgen” – das ist das Motto der monatlichen Frühstücksdebatte, der „Mobility Innovators Group“, zu der die Berliner Agentur für Elektromobilität eMO bei Berlin Partner und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) monatlich einladen. In exklusiver Runde tauschen sich Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über zukunftsfähige Mobilitätskonzepte für Berlin aus.