Mit dem Einzug neuer Technologien in unsere Lebens- und Arbeitswelt wandeln sich auch die Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten jedes Einzelnen. Doch welche Kompetenzen werden in Zukunft gebraucht? Wie können diese entwickelt werden und wie gehen wir mit der unglaublichen Dynamik um, mit der sich unsere Welt wandelt? Besonders für Unternehmen werden die Antworten auf diese Fragen zur entscheidenden Zukunftsfrage.

Hilfestellung gibt die Studie “Future Skills 2027” im Auftrag des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Berlin-Brandenburg, durchgeführt von der bbw Hochschule und dem Institut für Bildungsprozessforschung und Bildungsmanagement (IBfBm), die am 29. November der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Mit Fokus auf die regionale Metall- und Elektroindustrie wurden in Umfragen, qualitativen Intervies und Transferworkshops die Qualifizierungsbedarfe der kommenden Jahre identifiziert.

Im Zeitraum von April 2022 bis April 2023 wurden 51 Unternehmensvertreterinnen und -vertreter befragt sowie fünf Expert:inneninterview mit Personalverantwortlichen und Leitungskräften durchgeführt. Zudem wurden Zwischenergebnisse mit Unternehmensvertreter:innen im Rahmen von Transferworkshops diskutiert. Herausgekommen ist ein Katalog von Zukunftskompetenzen, die mit Blick auf das Jahr 2027 in der hiesigene Metall- und Elektroindustrie benötigt werden.

Überfachliche vor fachlichen Kompetenzen

In Zeiten von zunehmender Informationsflut, orts- und zeitunabhängigen Arbeiten sowie immer komplexer werdenden Themenfeldern und Tätigkeitsbereichen scheint es offensichtlich, dass überfachliche Kompetenzen wie Organisationsfähigkeit, Flexibilität und Zielorientierung die Kompetenzliste anführen. Demnach sollten zukünftig mindest zwei Drittel der Beschäftigten in den Unternehmen diese Kompetenzen besitzen. Hohe Bedarfszuwächse werden auch in den Bereichen Eigeninitiative und Kommunikationsvermögen gesehen. Der Einzelne, seine Fähigkeit zur Selbstorganisation, aber auch Interaktion und Kollaboration mit anderen rücken angesichts zunehmend digitaler Arbeitswelten in den Vordergrund.

Gleichzeitig sind diese persönlichen Kompetenzen Voraussetzung und Befähigung für den Einsatz von und Umgang mit digitalen Technologien. So folgen nach den überfachlichem Kompetenzen die digitalen Schlüsselkompetenzen und allen voran grundlegende IT-Fähigkeiten auf der Rangliste. Auch hier werden hohe Qualifizierungsbedarfe mit Blick auf die gesamte Breite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesehen. Zudem erkennen die Unternehmen die Notwendigkeit eines Basis-Datenverständnisses und Anwendungsverständnisses von Technologien wie der Künstlichen Intelligenz für die gesamte Belegschaft. Entsprechend findet sich der Bereich der Digital & Data Literacy ebenfalls im Feld des hohen Qualifizierungsbedarfes wieder.

Technologische und Führungskompetenzen für Experten:innenkreise

Für nur ein Viertel der Belegschaft sind nach Einschätzung der Befragten tiefergehende technologische Kompetenzen relevant. Hier sehen die Unternehmen vor allem im Bereich der nachhaltigen & ressourcenschonenden Technologien sowie bei der sofwaregestützen Steuerung von Geschäftsprozessen einen erhöhten Qualifizierungsbedarf. Es mag dem Studienzeitraum geschuldet sein, dass die technologische Kompetenz “Data Science & KI” mit einem künftigen Qualifizierungsbedarf von +10 Prozent erst am Ende der Rangfolge zu finden ist. Nachdem OpenAI im November 2022 mit ChatGPT generative KI-Modelle einer breiten Masse zugänglich machte, dürfte diese Einschätzung heute vermutlich anders aussehen. Dieses Beispiel zeigt, wie volatil die Bewertung von Zukunftskompetenzen angesichts rasanter technologischer Entwicklungen sein kann.

Ähnliches findet sich beim Thema Führungskompetenzen. Auch diese werden mit einer Ausgangsbasis von 16 Prozent und einem künftigen Qualifizierungsbedarf von +16 Prozent eher im oberen Mittelfeld der Kompetenzliste aufgeführt und werden in der Gesamtbetrachtung mit dem kleinsten Bedarfszuwachs bedacht. Zurückzuführen sei dies, laut den Autoren, auf die geringe Menge an Beschäftigten, für die Führungs-Skills relevant seien. Dennoch sei auch diese Kompetenz im Qualifizierungskanon nicht zu vernachlässigen. Mit Blick auf den Wandel in Arbeitsgorganisationen, immer flacher werdenden Hierarchien mit Tendenzen zu holokratischen Systemen und kompetenzbasiertem Führungswechsel stellt sich jedoch auch hier die Frage, ob Führungs-Skills künftig nicht zur relevanten Kompetenz für die Breite der Belegschaft werden müssen.

Herausforderung Skillerfassung

“Kompetenzentwicklungsmaßnahmen sollten ein fester Bestandteil jeder Digitalisierungsstrategie sein und mit einem Kulturwandel im Unternehmen einhergehen”, heißt es in den Empfehlungen der Autoren. Grundlage hierfür sei ein strategisches Kompetenzmanagement, das sich wiederfindet in einer zukunftsorientierten Lernkultur und einer betrieblichen Bildung, welche die Lernbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell fördert, motiviert und informelle Lernprozesse einbezieht. Herausforderung und Erfolgsfaktor für die Zukunft eines jeden Unternehmens ist es, Lernräume zu schaffen, die all diese Anforderungen erfüllen und gleichzeitig ihren Blick in die Zukunft stets den sich wandelnen Gegebenheiten anpassen.

Doch “Wenn wir nicht genau wissen, was morgen kommt, müssen wir heute wissen, was wir haben”, wird Yasmin Mei-Yee Weiß aus “Weltbeste Bildung: Wie wir unsere digitale Zukunft sichern” (2022) in der Studie zitiert. Dieses Zitat beschreibt einer der größten Herausforderungen im Kontext der betrieblichen Personalentwicklung. Denn auch wenn wir dank Studien wie dieser ein vages Bild der Zukunft und somit eine Stoßrichtung für betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen haben, ist es für Unternehmen heute kaum möglich, die Ausgangsbasis der Qualifizierung vollumfänglich zu erfassen. Vorhandene Kompetenzen im Team abseits von Arbeitsprozessen und – verantwortlichkeiten werden im Alltag kaum sichtbar. Hier braucht es diagnostische Tools, Beobachtung und Gespräche, um den für jedes Unterhemen korrekten Startpunkt für den betrieblichen Bildungsbedarf zu ermitteln.

Die vollständige Studie finden Sie hier.