Eine Dialogreihe zum Wissenstransfer zur Entwicklung international wettbewerbsfähiger Innovationen
Am Donnerstag, den 11. Mai, trafen sich Industrie, Wissenschaft und Startups im Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science e.V. (WvSC) zum Dialogworkshop „Vernetzt & International“. Dieser ist Teil der gleichnamigen zweiteiligen Veranstaltungsreihe mit besonderem Fokus auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU), die sich mit dem Thema Wissensvernetzung zur Entwicklung international wettbewerbsfähiger Zukunftslösungen befassen.
Veranstalter ist das Ministerium für Arbeit, Wirtschaft und Energie (MWAE) des Landes Brandenburg. Organisiert wurde das Event von der BMWK-Initiative Mittelstand-Digital Zentrum Zukunftskultur und den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg (UVB) in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Brandenburg (WFBB) sowie dem aBB automotive Berlin-Brandenburg e.V. Gastgeber war das Werner-von-Siemens Centre for Industry and Science (WvSC), ein Industrie- und Wissenschaftscampus mit Schwerpunkt auf Forschungskooperationen zwischen Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Startups am Berliner Zukunftsort Siemensstadt Square.
Im Fokus der Veranstaltung stand die Frage, wie Unternehmen durch Austausch und Kooperationen international wettbewerbsfähige Innovationen und neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Dabei ging es um relevante Netzwerke, Kontaktmöglichkeiten, Chancen und Herausforderungen sowie Rahmenbedingungen. Auch wurde diskutiert, wie wichtig das Mindset für die Innovationsfähigkeit ist und wie Mitarbeiter*innen entsprechend qualifiziert werden können.
Future Skills und Mindsets im internationalen Wettbewerb.
So widmete sich die erste Gesprächsrunde ganz den Schlüsselqualifikationen, die Unternehmen ihren Führungskräften und Mitarbeitenden vermitteln müssen, um internationale Trends erkennen und Geschäftsmodelle zukunftsfähig gestalten zu können. Denn Mitarbeiter*innen sind die Basis für jeden Innovations- und Transformationsprozess und damit eben auch den unternehmerischen Erfolg.
Die Themen waren so vielfältig wie die in der Runde vertretene Expertise. So ging es um internationale Netzwerke und Unterstützung für den internationalen Austausch, die Notwendigkeit Wissenssilos aufzubrechen, um echte Innovationen entwickeln zu können und Netzwerke als Schlüsselfaktor für die eigene Zukunftsfähigkeit, aber auch die Future Readiness von Städten und Kommunen als ausschlaggebende Rahmenstruktur für die notwendigen Transformationsprozesse.
Wissenssilos aufbrechen für höhere Innovationsgeschwindigkeit
Dabei waren sich die Diskutanten einig, dass der Wille zum Netzwerken und Austausch der erste Schritt zur Stärkung der eigenen Innovationsfähigkeit ist. „Wir Deutschen müssen lernen, unsere oft über Jahrzehnte etablierten Wissenssilos innerhalb aber auch zwischen Unternehmen aufzubrechen und neue Ideen – bis zu einem aus Wettbewerbssicht verantwortbaren Grad – offen zu diskutieren“, ist Gastgeber Wiegard, Geschäftsführer des WvSC, überzeugt. „Auch die Erkenntnis, dass die rasante Geschwindigkeit der technologischen Entwicklungen Kooperation erfordert, müsse vielerorts noch reifen“, ergänzt Bölling, der beim Europäischen Institut für Innovation und Technologie den zentralen Innovationshub in Darmstadt mit Fokus auf Industrie und Fertigung leitet. Zu oft basieren Transformations- und Innovationsbemühungen noch auf der Vorstellung, alles selbst im eigenen Unternehmen entwickeln zu können, sind sich die Diskutanten einig. Werden jedoch Kompetenzen, Wissen und Fähigkeiten gebündelt, kann die eigene Innovationsgeschwindigkeit exponentiell gesteigert werden.
„Natürlich sind solche Kooperationen kein Selbstläufer, sondern benötigen Begleitung und Moderation, insbesondere im internationalen Kontext“, berichtet Buckup, Leiter des Kompetenzzentrums für die vierte industrielle Revolution beim World-Economic-Forum, aus beruflicher Erfahrung. Eine solche Offenheit gehöre jedoch nicht unbedingt zum deutschen Mindset, weiß Buckup. Deshalb braucht es unterstützende Rahmenbedingungen und Strukturen, die eben diesen Austausch fördern.
Städte und Kommunen als Enabler
Dazu gehören nach Jonas Schorr, Gründer und Geschäftsführer der Urban Impact Berlin GmbH, auch Städte und Kommunen, die zum einen Wissen bündeln und bereitstellen sollten, aber sich zum anderen auch selbst für innovative Ideen und kleine Unternehmen öffnen müssen. Mit seiner Innovationsagentur legt er den Schwerpunkt auf nachhaltige Stadtentwicklung und digitale Projekte und hilft den Verantwortlichen mit digitalen Lösungen die für eine solche Transformation notwendigen Wissens-Plattformen bereitzustellen, aber auch das eigene Mindset zu verändern. „Städte und Kommunen verfügen über so vielfältiges Zukunftswissen, das in Projekten, Netzwerken, Forschungsinstitutionen, Unternehmen und vielem mehr steckt. Erst gebündelt kann es seine volle Innovationskraft entfalten“, weiß Schorr mit Blick auf internationale Erfolgsbeispiele in Amsterdam und New York.
Faktor Mensch
Der zentrale Baustein eines jeden Transformationsprozesses, ob in Wirtschaft, Wissenschaft oder Verwaltung, sei jedoch immer der Faktor Mensch, war sich die Runde einig. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels werden Recruiting, Weiterbildung und Qualifizierung für alle Akteure zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Dabei ist es wichtig, dass Deutschland lernt, dass ökonomisches Denken für die Wissenschaft kein Tabu sein darf, appelliert Bölling. „Um Forschung in die Fläche bringen zu können, muss sie auch als Geschäftsmodell verstanden werden – natürlich immer unter Wahrung der wissenschaftlichen Freiheit“, so Bölling weiter.
„Doch keine Innovation schafft es in die Fläche ohne die Menschen, die diese umsetzen können“, ergänzt Gruber, der sich mit seinem Startup Digital Champions Academy dieser Herausforderung widmet. „Jeder Transformationsprozess braucht leidenschaftliche Verfechter, die diesen vorantreiben“, ist Gruber überzeugt. Diese Champions sorgen über die Funktionsbereiche eines Unternehmens hinweg für die notwendige Unterstützung und erhöhen durch die funktionsübergreifende Zusammenarbeit die Erfolgsquote von Innovations- und Transformationsprojekten. „Für Unternehmen wird es daher zur Schlüsselfrage, diese Key Player im eigenen Haus identifizieren zu können“, sagt Gruber und hat mit der Digital Champions Academy ein digital gestütztes Skill Mapping zur Identifikation der Key Player entwickelt. Dabei gehe es vor allem darum, die funktionsübergreifenden Netzwerke im Unternehmen sichtbar zu machen. Denn sie seien Ausdruck für Agilität und Kommunikationsstärke – zwei wichtigen Eigenschaften für digitale Champions.
Gelebte Außenwirtschaft
Nach der Theorie ging es anhand von Unternehmensbeispielen tief in die Praxis. So berichteten regionale Unternehmer*innen über eigene Innovationsprojekte mit internationalem Fokus und die Chancen sowie Herausforderungen, denen sie dabei begegnet sind.
Dabei seien vor allem soziale und strategische Kompetenzen sowie eine gute Kommunikation mit ausländischen Partnerunternehmen entscheidend für den Erfolg einer aktiven Auslandswirtschaft, berichteten die Unternehmensvertreter. Schulungen und Weiterqualifikationen zur Förderung von Innovationen seien dabei unerlässlich. Ebenso wichtig sei das Wissen um Ressourcen. Der schnelle und direkte Kontakt zu Entscheider:innen im Rahmen von Netzwerken kann diese Prozesse erheblich verkürzen, weiß Dr. Wolfgang Kniejski, Senior Business Creation Manager bei EIT Manufacturing: “Ich brauche nicht nur den Mut, ich brauche auch die Qualität, um Innovationen erfolgreich umsetzen zu können.“
Obwohl bereits ein breites Unterstützungsangebot für Innovation und Internationalisierung existiert, werden bürokratische Hürden, Grundlagenkonditionen bei Investitionsvorgaben und die fachliche Kompetenz der Begleiter*innen aus den Ministerien als Hemmnisse für den Fortschritt angesehen.
Internationalisierung jetzt!
Bewährte Strukturen verändern sich gerade mit großer Dynamik. Veränderungsbereitschaft und Zukunftsorientierung sind damit wichtiger denn je. Wertschöpfung muss flexibler gestaltet werden und gerade jetzt sollte der Schritt in internationale Märkte gewagt werden, sind sich die anwesenden Unternehmer einig. Dabei darf man sich jedoch nicht nur spontanen Impulsen hingeben. Für eine erfolgreiche Internationalisierung sind die strategische Planung und kontinuierliche Evaluation wichtig. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen haben hier oft noch großen Nachholbedarf.
Dasselbe gilt für die Nutzung von Netzwerken: Zielgerichtete Vernetzungsaktivitäten müssen strategisch geplant werden. Datennutzung und Nutzung externer Expertise sind dabei wichtige Erfolgsfaktoren.
Zudem sollten sich Unternehmen auch mit Blick auf internationale Unterschiede intensiv damit auseinandersetzen, was ihre Kunden wirklich brauchen und welche Technologien bei der Gestaltung zukunftsfähiger Produkte und Dienstleistungen sinnvoll eingesetzt werden können. Die Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen kann eine wichtige Komponente sein, um sich mit diesen Fragestellungen zu beschäftigen.
„Dass wir heute alle hier sind, zeigt, dass wir verstanden haben, worauf Innovationsfähigkeit beruht“, stellt Gastgeber Wiegard abschließend fest und leitet damit zum gemütlichen Teil des Tages mit Führungen durch das WvSC und Netzwerkmöglichkeiten über.
Außenwirtschaftsportal Brandenburg
Einen Einblick in Unterstützungsangebote Brandenburgs gab zuvor noch Kirstin Wenk, Teamleiterin Außenwirtschaft WFBB Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg mit der Vorstellung der Portale Außenwirtschaftsportal Berlin-Brandenburg (aussenwirtschaft-bb.de) , auf dem man alle Termine rund um das Thema Internationalisierung einsehen kann, und Kooperationsplattform Brandenburg (koop-bb.de), die die Vernetzungsarbeit in der Region fördert.
Wie sieht die Fabrik der Zukunft aus?
Anschließend lud das WvSC zur Führung durch seine Test- und Laborflächen ein. An verschiedenen Stationen lernten die Teilnehmer*innen die neuesten Entwicklungen für die Zukunft der Produktion kennen. So präsentierte das Fraunhofer IPK in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin eine Coldspray Anlage, die eine additive Fertigung von großvolumigen Multimaterialbauteilen ermöglicht. Beim Kaltgasspritzen werden Metallpartikel mit einem hochverdichteten Gasstrom in einer Düse beschleunigt. Beim Aufschlag auf die Bauebene verformen sich die Partikel plastisch und bilden eine dichte Schicht. Das Bauteil wird durch einen gerichteten, lokalen Materialauftrag schichtweise Bahn für Bahn aufgebaut.
Weiter ging es auf der Testfläche von Gestalt Robotics mit NavigateSYS, einer modularen einheitlichen Softwarebasis für autonome Navigation und Mehrwert-KI, die den Betrieb von gemischten Flotten mit unterschiedlichen Integrationsstufen sowie den nahtlosen Informationsaustausch und M2M-Kommunikation unter Nutzung von modernem (Factory-) Edge- und Cloud-Computing, verbunden über 4G/5G-Campus-Netzwerke, ermöglicht. Einsatzbereiche reichen von der intelligenten Navigation für hybride Umgebungen im Innen- und Außenbereich über Inspektion und Wartung bis hin zum ortsflexiblen Einsatz von Robotermanipulation.
Wie insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen ihre Produktion digitalisieren können, war Thema an der Station von 5thIndustry, die moderne Apps für die Fertigung vorstellten. Im Mittelpunkt der Entwicklungen steht auch hier der Mensch als Anwender und Schlüsselfaktor für die erfolgreiche digitale Transformation. 5th Industry präsentierte ganzheitliche Lösungen, die Prozesse, Unternehmenskultur und digitales Arbeiten zusammendenken und die Mitarbeitenden stets in die Projekte einbeziehen und so von Anfang an für Akzeptanz sorgen.
Um die End-to-End-Entwicklung des elektrischen Antriebs der Zukunft unter Anwendung von Industrie 4.0-Technologien ging es schließlich bei Siemens DW.
Der zweite Teil der Dialogreihe lädt am 6. Juni nach Cottbus an den Startblock B2 der BTU Cottbus-Senftenberg ein. Hier werden industrierelevante Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Lausitz vorgestellt und Potenziale entlang der Entwicklungsachse Cottbus – Adlershof – Siemensstadt vorgestellt. Mehr zum Programm und Teilnahmemöglichkeiten erfahren Sie hier.